Stabbrandbombe INC 4 lb

Die Veröffentlichung des Präsidiums des Reichsluftschutzbundes "Feind wirft Brandbomben" von 1943 beschreibt nicht explosive Abwurfmunition, die auch in Berlin zum Einsatz gekommen sein wird. Die beiden britischen Typen INC 30 lb (Phosphorbrandbombe) und INC 4 lb (Stabbrandbombe) sind in großer Zahl über deutschen Städten abgeworfen worden. Die Veröffentlichung legt plausibel nahe, dass bei großstädtischer Bebauung ca 80% der Brandbomben Straßen und Höfe getroffen haben werden. Dabei wird berichtet, dass Stabbrandbomben, welche direkt in offene Sandflächen eingeschlagen sind, etwa 1m tief in den Boden eingedrungen sind. Sie müssen also einen nicht unerheblichen Impuls gehabt haben, mit dem sie durchaus Krater in waagerecht liegende Granitplatten geschlagen haben können. Wie im Titelbild zu diesem Post zu sehen, hat die INC 4 lb einen flachen, sechseckigen Stahlkopf von 48mm Durchmesser. Die INC 30 lb mit einem Durchmesser von 125mm ist am vorderen Ende abgerundet.
Die US Army Air Force verwendete eine ähnliche Stabbrandbombe (AN-M50) mit einem sechseckigen Querschnitt von 40,6mm Durchmesser. Die Hauptluftschutzstelle der Stadtverwaltung Berlin schreibt allein über den Tagesangriff der USAAF vom 3. Februar 1945, dass " 150 000 Stabbrandbomben, 500 Flüssigkeitsbomben niedergegangen" sein sollen (LAB A Rep. 001-02, Nr. 703).
Über denselben Fliegeralarm schreibt das Luftgaukommando III (BArch RL 13/105 Bd 2 S. 40):
"250 000 Stabbrand-B
100 Flüssigkeits-B"
Gem. selber Quelle S. 62 wurden beim Luftangriff vom 26. Februar 1945 insgesamt 300 000 Stabbrandbomben aus einer Höhe von 4000m abgeworfen.
Berechnung der kinetischen Energie eine INC 4 lb beim Aufschlag
Ein in der Luft frei fallender Körper erreicht seine Terminalgeschwindigkeit, wenn die Erdbeschleunigung vom Luftwiderstand aufgewogen wird.
- m=1,7kg (Masse)
- g=9,81m/s² (Erdbeschleunigung)
- ρ=1,225kg/m³ (Luftdichte --> Luftfahrt-Normatmosphäre)
- A≈0,0015m² (angenommene projizierte Fläche für 48 mm Durchmesser, sechseckiges Profil)
- Cd=0,3bis 1,0 (Luftwiderstandsbeiwert)
Für längs angeströmte Zylinder gibt die Literatur für Cd einen Bereich von 0,3 bis 1,0 an.
Flächenberechnung Sechseck:
a= Seitenlänge = 1/2 Durchmesser(Spitze-Spitze)=1/2*48mm = 24mm=0,024m
A=2,598076211353316 * (0,024m)²= 0,0014964918977395m² ≈ 0,0015m²
Die erforderliche Fallhöhe für 90% der Terminalgeschwindigkeit ist ≈ v²/g
Cd | Maximale Fallgeschwindigkeit [m/s] |
Notwendige Fallhöhe [m] |
---|---|---|
0,3 | 246 | 6167 |
1,0 | 135 | 1850 |
200 | 4077 |
Insgesamt kann also davon ausgegangen werden, dass die INC 4 lb mit 200m/s in die Schweinebäuche eingeschlagen sind. Dabei haben sie eine kinetische Energie von 34kJ (und einen Impuls von 340kgm/s) gehabt. Das entspricht etwa der kinetischen Energie einer 23 × 115 mm Maschinenkanone in Kampfentfernung. Ein Befund, wie er hier zu sehen ist, kann also durch eine INC 4 lb erzeugt worden sein:

Ausdrücklicher Dank an https://www.facebook.com/bastianottmann und Sebastian Gramigna (KMBD Berlin)! Ohne Euch wäre ich da wohl nicht draufgekommen.
Hypothese:
Befunde von einzelnen Einschlägen, in denen sich eine Ecke eines Sechsecks (120°) deutlich abzeichnet, sind das Ergebnis von Stabbrandbomben.
Fragen
- Würde eine senkrecht mit dem flachen Kopf aufschlagende INC 4 lb wie ein Wuchtgeschoss einen Krater mit radialen Frakturen schlagen?
- Kann eine mit einer Ecke des Stahlkopfs einschlagende INC 4 lb eine Kompaktionszone wie bei einem Wuchtgeschoss erzeugen?
- Welche Spur hinterlässt eine INC 30 lb in einem Schweinebauch?
- Welche strukturellen Schäden hinterlassen INC 4 lb oder INC 30 lb im Stein und wie stellt sich ein solcher Einschlag dann nach 80 Jahren Verwitterung dar?
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